Die Kunst muss übernehmen

Die Kunst muss übernehmen

„And Now: Hanau“ im Jüdischen Museum Frankfurt
Regina Leenders in „And Now: Hanau“ | © Bettina Stöß

Am 19. Februar 2020 ermordete ein 43-jähriger Mann und polizeibekannter Rechtsextremist in Hanau innerhalb von 6 Minuten neun Menschen aus rassistischen Motiven und entzog sich durch Selbsttötung seiner Verurteilung. Bis heute ist neben den veröffentlichten Fakten viel ungeklärt geblieben. Der Regisseur Tuğsal Moğul hat den Vorfall mit dem Stück „And Now: Hanau“ auf die Bühne gebracht, und Walter H. Krämer weiß, was sich dort abspielen wird.

Der Regisseur, Schauspieler und Arzt Tuğsal Moğul setzt sich in seinen Werken mit den Auswirkungen rassistisch motivierter Gewalt in Deutschland auseinander. In seinem neuesten Rechercheprojekt – And Now: Hanau – bearbeitet er das Attentat von Hanau für die Bühne. Er lässt in seinem Stück die Perspektive der Opfer zu Wort kommen und fragt nach den vielen Fehlern, die vor, während und nach dem Anschlag von Seiten der Polizei, Staatsanwaltschaft, Politik und den Medien begangen wurden. „Es geht um Gerechtigkeit. Es hört einfach nicht auf. Wir erinnern.“ Das 4-köpfige Ensemble professioneller Schauspieler*innen rekonstruiert dicht, schnell, fakten- und dialogreich die Nacht des rechtsextremen Attentats und reflektiert dabei den zähen Kampf der Familien der Opfer um Aufklärung.

Der Attentäter war der Polizei bereits als rechtsextrem bekannt. Wieso hatte er einen Waffenschein und warum wurde er nicht besser überwacht? Wieso war der Notruf 110 in der Tatnacht nicht erreichbar? Wieso war der Notausgang in der Arena-Bar verschlossen?
Wie kann es sein, dass Einsatzleute des SEK am Tatort später als rechtsextremistisch entlarvt wurden?

In enger Zusammenarbeit mit der Initiative 19. Februar Hanau fragt Moğul nach Konsequenzen und fordert eine lückenlose Aufklärung. Bewusst übernimmt hier ein Theater die Arbeit, die deutsche Behörden offenbar sträflich vernachlässigten.

Durch ihr Spiel erreichen Tuğsal Moğul, Alaaeldin Dyab, Agnes Lampkin, Regina Leenders und Tim Weckenbrock Anteilnahme beim Publikum und tragen zur Aufarbeitung des Geschehens bei. Tuğsal Moğuls Stück leistet dabei sowohl Aufklärungs- als auch Erinnerungsarbeit. Er inszeniert gegen das Vergessen und erinnert an die Opfer des rassistischen Anschlags vom 19. Februar 2020:

Kaloyan Velkov, ermordet mit 33 Jahren.
Fatih Saraçoğlu, ermordet mit 34 Jahren.
Sedat Gürbüz, ermordet mit 30 Jahren.
Vili Viorel Păun, ermordet mit 22 Jahren.
Gökhan Gültekin, ermordet mit 37 Jahren.
Mercedes Kierpacz, ermordet mit 35 Jahren.
Ferhat Unvar, ermordet mit 22 Jahren.
Hamza Kurtović, ermordet mit 22 Jahren.
Said Nesar Hashemi, ermordet mit 21 Jahren.

And Now: Hanau ist eine minutiöse Rekonstruktion des Anschlags. Auf einer schlicht eingerichteten Bühne beschreiben die vier Schauspieler*innen detailliert, was am 19. Februar 2020 passierte. Dazu zitieren sie aus Ermittlungsakten und Protokollen der Untersuchungsausschüsse. Überdeutlich werden dabei die vielen Ermittlungspannen der Behörden. Wenn Behörden untätig blieben, müsse die Kunst übernehmen, sagt Regisseur Tuğsal Moğul.

Die Arbeit ist entstanden als Koproduktion der Theater Münster und Oberhausen mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen, in Kooperation mit dem Maxim-Gorki-Theater Berlin. Und derzeit an vielen Orten und in unterschiedlichen Räumen der Republik zu sehen. Am 19. März 2024 beispielsweise im Vortragssaal des Jüdischen Museums der Stadt Frankfurt am Main

And Now: Hanau am Dienstag, den 19.03. um 19 Uhr – Veranstaltungsort: Jüdisches Museum Frankfurt, Bertha-Pappenheim-Platz 1, 60311 Frankfurt am Main
Diese Vorstellung ist ausverkauft.

Weitere Termine bundesweit auf folgenden Webseiten:
https://tugsalmogul.de/
https://www.theater-muenster.com/produktionen/and-now-hanau-45.html

Letzte Änderung: 11.03.2024  |  Erstellt am: 09.03.2024

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