Kein Amen auf Abrahams Samen

Kein Amen auf Abrahams Samen

Katholische Kirche singt immer noch nach NS-Vorgabe
 | © Bernd Leukert

Ruhmesblätter sind das nicht, auf denen die Geschichte zwischen Christen und Juden verzeichnet ist, nicht anders die Geschichte zwischen Christen und Nationalsozialisten. Wer, wie Matthias Buth, genau hinsieht, stößt auf Spuren der einstigen Willfährigkeit, die bis heute hingenommen wird.

Gotteslob soll Gott loben. Das sei auch das wichtigste, meinen gläubige Menschen. Und so heißt das in den katholischen Diözesen verwendete Gebetbuch „Gotteslob“ mit allen Lied- und Liturgietexten. Zum Schluss einer Messefeier, zum frohen Ausgang in den Sonntag singen die Katholiken gern das Lied von Joachim Neander, welches er wohl in seinem letzten Lebensjahr 1680 gedichtet hat. 1660 wurde er als Sohn einer evangelischen Pastorenfamilie in Bremen geboren. Und in Bremen liegt er auch begraben. Einige Zeit wirkte er aber am Rhein, in der Lateinschule der Düsseldorfer reformierten Gemeinde als Kirchenmusiker und Hilfsprediger, zwischen 1674 und 1679 war er sogar Rektor der Schule. Mit seinen Liedern verzauberte er die Menschen, gerne zog er hinaus in Wald und Feld vor die Tore der Stadt, hinauf ins Niederbergische (Nähe Erkrath) und kam so in ein damals schluchtartiges Tal, das ihn so sehr ansprach, dass er Gottesdienste dort abhielt. Ihm zu Ehren wurde es Mitte des 19. Jahrhunderts nach seinem Namen „Neanderthal“ benannt. Im August des Jahres 1856 fand der Elberfelder Johann Carl Fuhlrott die berühmten 16 Knochenreste jenes Menschen, dessen DNA zu ca. 4 % jedem eingegeben ist. Der Neandertaler ist unser aller Vorfahre. Nicht der Dichter des Liedes.
Im „Gotteslob“ wird in den Katholischen Kirchen in der letzten, der fünften Strophe gesungen:

Lobe den Herren, was in mir ist, lobe den Name
Lob ihn mit allen, die seine Verheißung bekamen.
Er ist dein Licht.
Seele, vergiss es ja nicht.
Lob ihn in Ewigkeit. Amen

Aber das verfälscht. Die Nationalsozialisten und der für Kultur zuständige Reichsminister für Propaganda und Volksaufklärung, Goebbels, gaben vor, dass – wenn schon in den Kirchen gesungen wurde – nach unverfänglichem Text. Und das war „Abrahams Samen“.
Die Strophe lautet im Original nämlich so:

Lobe den Herren, was in mir ist, lobe den Namen.
Alles was Odem hat, lobe mit Abrahams Samen.
Er ist dein Licht.
Seele, vergiss es ja nicht.
Lob ihn in Ewigkeit. Amen.

An zwei Stellen, also auch in der Schlusszeile, wurde verfälscht und das Lob Gottes verkürzt. Die Katholische Kirche beugte sich dieser Sprachdikatur. Dass aber in den wiederholten Neuauflagen des „Gotteslob“ die Goebbels-Fassung abgedruckt wird, verwundet die Seele des heutigen Katholiken und zeigt einmal mehr, welche Nachwirkungen die NS-Zeit in der Gegenwart hat. Im „Großen Conrady“ kann man den Urtext nachlesen. Wenn doch so gern vom „jüdisch-christlichen“ Abendland gesprochen wird, auch hier liegt es begraben. Abraham war jüdisch. Jesus war jüdisch, nicht katholisch, nicht evangelisch. Oder: alles in einem. Dann sollten wir auch so singen. Und hat Jesus nach Johannes 4,22 nicht gesagt: „Das Heil kommt von den Juden“?

Letzte Änderung: 11.07.2022  |  Erstellt am: 11.07.2022

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Kommentare

Bruno Mattes schreibt
Das ist ja sehr schön und v.a. schön gebildet. Aber doch ein müder Abklatsch der unheilvollen Verquickung beider christlicher Kirchen mit dem NS und seinem Antisemitismus und Rassismus. Und das Reichskonkordat von 1933 ist immer noch rechtsgültig - in der BRD. BM

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